Die Phoenix-Chroniken 01. Asche by Lori Handeland

Die Phoenix-Chroniken 01. Asche by Lori Handeland

Autor:Lori Handeland
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: Egmont vgs Verlagsgesell.
veröffentlicht: 2011-07-06T06:36:08+00:00


22

Für unseren Todesmarsch auf den Berg zog sich Sawyer die richtige Kleidung an. Da die Temperaturen in höheren Lagen, wo trotz des beharrlichen Hinweises des Kalenders auf den Frühling immer noch Schnee liegen konnte, niedriger waren, zog er sich über das weiße T-Shirt noch ein langärmliges Flanellhemd, und die schmalen Füße wurden in dicke Socken und Wanderstiefel verpackt. Im Rucksack ließ er noch eine leichte Skijacke verschwinden.

Für mich hatte er genau die gleiche Ausrüstung, bis hin zu den Wanderschuhen. Alle Größen stimmten.

Ich blickte zu dem Mann, der sich im Türrahmen meines Zimmers herumdrückte und so aussah, als wollte er dort bis in alle Ewigkeiten stehen.

„Woher wusstest du so gut Bescheid?“

Seine seltsam hellen Augen maßen mich vom Kopf bis zu den Zehen. Jedes Körperteil, das er mit seinem Blick streifte, brannte. „Ich bin ganz gut mit Größen.“

Ich war mir sicher, dass er noch in ganz anderen Dingen gut war.

Schnell schüttelte ich den Kopf. Nein, diese Bereiche wollte ich nicht erforschen. Jetzt nicht. Überhaupt nie.

Sawyers Mundwinkel hoben sich leicht, und wieder hatte ich den Eindruck, er könne meine Gedanken lesen. Oder verriet mein Gesicht mich mal wieder? Bislang hatte ich nicht versucht, meine Gedanken geheim zu halten.

„Ich meinte damit…“, presste ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Die Worte klangen nervös und ärgerlich, was sein Grinsen nur noch verstärkte. „Hat dir jemand gesagt, dass wir kommen würden?“

Dieser Jemand hätte ja Jimmy sein müssen, denn wer sonst hatte von unseren Plänen gewusst? Aber die Vorstellung, Jimmy könnte Sawyers Nummer wählen, schien mir einfach zu abwegig.

Sawyer zog die Augenbrauen in die Höhe und streckte seine riesigen rauen Hände aus. „Ich habe gar kein Telefon.“

„Aber irgendetwas hast du“, murmelte ich, und dann fiel mir etwas ein. „Sprichst du etwa auch mit Ruthie?“

Sein Lächeln verschwand. „Nein, ich habe meine eigenen Quellen.“

Das würde ich keinen Moment lang in Zweifel ziehen. Die Frage war nur, ob diese Quellen im Himmel oder in der Hölle lagen.

Damals war ich eines Nachts aufgewacht. Ein flackerndes Feuer hatte mein Fenster erhellt und mich aus dem Bett gelockt.

Er war nicht allein.

Natürlich hätte ich wieder ins Bett gehen und mir die Decke über den Kopf ziehen sollen, aber ich war neugierig, was er mit der Ziege wollte.

Für eine Fünfzehnjährige war ich schon ziemlich erfahren. Mir gingen mehrere Ideen durch den Kopf, die meisten hatten mit Sex zu tun. Ich lag total daneben.

Die Ziege meckerte. Sawyer schnitt ihr die Kehle durch. Dabei musste ich mir mit beiden Händen den Mund zuhalten, um nicht laut loszuschreien.

Ihr Blut ergoss sich auf den Boden. Wo es auf der Erde auftraf, entstand eine Rauchsäule, die immer höher stieg, je mehr Blut floss. Er badete seine Hände in dem Blut und legte dann die sterbende Ziege beinahe zärtlich auf den Boden.

Der Gegensatz zwischen dem grausamen Blutopfer und der Art und Weise, wie er die Ziege sanft zur letzten Ruhe bettete, ließ mir eine zweite Gänsehaut über den Rücken laufen. Immer fürchten wir uns vor dem, was wir nicht verstehen.

Seine tiefe Stimme erscholl in dieser seltsam stillen Nacht in einer Sprache, die ich nicht kannte.



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